Eine wertvolle Kette namens Blockchain

Die Blockchain-Technologie macht’s möglich: Von der Tokenisierung unterschiedlichster Vermögenswerte können sowohl Investoren auf der einen Seite als auch emitierende Unternehmen auf der anderen Seite profitieren. Worum es sich bei einer „Tokenisierung“ handelt und was hinter diesem zukunftsweisenden Verfahren steckt, hat Chefredakteurin Marie-Theres Ehrendorff Rechtsanwalt Ronald Frankl, Head of Blockchain & Cryptocurrencies bei LGP, gefragt.

Herr Mag. Frankl, was ist eine Blockchain, von der aktuell alle Welt spricht?

Die Blockchain kann man sich wie ein Transaktionsbuch vorstellen, das ähnlich dem Grundbuch sämtliche Transaktionen transparent und fortschreibend abbildet. Durch diese Transparenz und die damit verbundene fehlende Notwendigkeit von Mittelsmännern können Transaktionen erstmals Peer-to-Peer durchgeführt werden. Aus diesem Grund können Kryptowährungen oder eben Tokens über die Blockchain von einem zum anderen übertragen werden. Es bedarf dafür keines Intermediärs, wie z.B. einer Bank. Diese Neuerungen werden den Markt somit nicht nur quantitativ durch die Schaffung neuer Möglichkeiten, wie etwa die Tokenisierung, sondern insbesondere auch qualitativ durch eine erhöhte Transaktionsgeschwindigkeit, Sicherheit und Transparenz verändern.

Wie kann man sich das in der Praxis vorstellen?

Bei der Tokenisierung wird der Wert von Assets, also Vermögenswerten, auf Grundlage der Blockchain-Technologie in einer Art „digitale Einheiten“ – den sogenannten Tokens – abgebildet. Dies wird dadurch erreicht, dass dem Inhaber eines Tokens eine bestimmte Rechtsposition eingeräumt wird. Vereinfacht ausgedrückt ist die „Tokenisierung“ eine Methode, bei der ein Tokeninhaber eine Rechtsposition erhält, wonach er am Wert eines Assets auf eine bestimmte Weise teilhat. Es handelt sich dabei um sogenannte Asset- oder Security-Tokens, nicht um die in der Vergangenheit vorwiegend gebräuchlichen Utility-Tokens. Ein solcher Token kann etwa Anteile an einer Liegenschaft oder Anteilsrechte an einer Gesellschaft widerspiegeln. Er kann dabei auch das Recht auf Erträge wie Dividenden und Zinsen oder Informations- und Mitbestimmungsrechte einräumen.

Das wäre aber mit konventionellen Verträgen auch möglich…

Das Neue und Innovative an der Tokenisierung ist, dass dabei beliebig gestückelt werden kann. Damit wird die Beteiligung an unterschiedlichen Vermögenswerten auch mit verhältnismäßig kleinen Beträgen ermöglicht. Das ist in dieser Form nicht nur revolutionär, sondern schafft einen gänzlich neuen Markt. Durch diese Technologie werden somit Kleinanlegern bisher verschlossene Vermögensklassen zugänglich gemacht. Dies ist auch deswegen möglich, weil mit der Tokenisierung deutlich geringere Kosten als bei einer herkömmlichen Transaktion verbunden sind. All diese technischen Neuerungen eröffnen Unternehmen neue Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung. KMU und Start-ups können durch die Ausgabe von Tokens beispielsweise eine Expansion, eine kostenintensive Anlage oder eine neue Produktlinie finanzieren. Internationalen Großunternehmen bietet die Tokenisierung u.a. die Möglichkeit der Finanzierung eines Projekts über die Ausgabe von Tokens statt eines herkömmlichen Bankkredits. Es besteht außerdem im Vergleich zur Aufnahme von Finanzmitteln über den Kapitalmarkt bei einer Tokenisierung nicht die Notwendigkeit der kostenintensiven Einbindung einer Bank.

Das gilt aber nicht nur für Geschäftsanteile?

Die digitale Aufbruchsstimmung im Bereich Tokenisierung herrscht derzeit für Vermögenswerte von Gemälden über Diamanten bis zu Liegenschaften. So ist es möglich, eine Liegenschaft mit einem Gegenwert von einer Million Euro zu stückeln und zu handeln. Mithilfe dieser Technologie kann man die Rechte an einer Liegenschaft z.B. in 10.000 „Immo-Tokens“ mit einem Gegenwert von je 100 Euro zerteilen. Somit würde jeder Token einen Gegenwert von 0,01 Prozent der Rechte an der Liegenschaft repräsentieren. Diese Tokens können dann direkt über eine dafür geschaffene Plattform ver- bzw. gekauft und somit gehandelt werden.

Und wie sicher ist das?

Aufgrund der dezentralisierten, weltweit verteilten Datenbank bietet die Tokenisierung ein hohes Maß an Sicherheit, das durch die verteilte Aufzeichnung der Informationen auf der Blockchain über zahlreiche Computer hinweg gewährleistet ist.

Ein Interview aus den Wirtschaftsnachrichten 1-2/2020